f Toby E. Rodes – Kölner Design Preis
Toby E. Rodes

Toby E. Rodes ist wohl der amtsälteste PR-Berater im deutschsprachigen Raum. Geboren 1919 als Deutscher mit teils jüdischen Wurzeln, hat er eine bewegte Zeit erlebt und mitgestaltet – als Militär und Kommunikator. Mit seinen bald 91 Jahren arbeitet Rodes noch immer als Berater in seiner 1966 gegründeten Basler Marketing- und PR-Agentur. Ausserdem als Journalist. Und als Buchautor.

Es gibt nicht viel, was Toby E. Rodes nicht war oder ist: Büroangestellter, Skilehrer, Offizier, Unternehmensgründer, Firmenchef, Diplomat, Journalist, Autor, Unternehmensberater, PR-Experte sowie Gründer und Mitglied zahlreicher nationaler und internationaler PR-Gesellschaften und -Institutionen – um innerhalb der Schweizer Grenzen zu bleiben beispielsweise des BPRA, der SPRG, der NPRG und des SPRI. Ausserdem war Rodes Referent und Prüfer am SAWI und Experte der Schweizerischen Lauterkeitskommission. Doch Grenzen werden Rodes nicht gerecht: Während seines langen Lebens arbeitet er in 30 Ländern in mehr als 45 Städten mit fünf Sprachen. Seit 1956 lebt und wirkt er von Basel aus. Rodes hat zwei «Heimaten», New York und Basel. Er begreift sich als amerikanischer Europäer, was er auch m it dem Untertitel seiner im letzten Jahr erschienenen Autobiografie akzentuiert.

Rodes wird 1919 in Frankfurt am Main als Sohn einer deutsch-englischen Mutter und eines amerikanisch-deutschen Vaters geboren. Als Elfjähriger will er ein großer Dirigent vom Schlage Toscaninis oder Bruno Walters werden.«Dass ich kommunizieren will, stand für mich schon früh fest – und musikalisch zu kommunizieren wäre mein Lebenstraum gewesen», sagt Rodes. Der Junge lernt Geige, Flöte und Saxophon spielen und investiert einen Grossteil seines Sackgelds für den Besuch klassischer Konzerte. 1934 muss er enttäuscht feststellen, dass er kein absolutes Gehör besitzt. «Mir wurde klar, dass ich es so bestenfalls zum Kaffeehauskapellmeister bringen würde, nicht aber zu einem kreativen Dirigenten», erinnert sich Rodes. «Das genügte mir nicht.» Der Bub verabschiedet sich von seinem Traum. Doch die Liebe zur Musik begleitet Rodes weiter: Später musiziert er m it seiner Frau und Freunden, heute steht auf seinem Schreibtisch ein Radio, das er rasch anschaltet, wenn ihn die Lust nach Musik überkommt.

Bauchgefühl und Eigenständigkeit.

Mit 14 Jahren geht Rodes allein in die Schweiz, weil er sich über einen antisemitischen Vortrag in seiner Schule ärgert.Ein Gefühl tief im Bauchinnern sagt ihm, dass sich in seiner Heimat Ungutes entwickelt. In einem englischen College am Genfersee macht Rodes sein Abitur, danach studiert er in London und New York Internationale Finanzen und Jus. 1937 ändert Rodes, der zu dieser Zeit noch Rosenthai heisst, seinen Nachnamen. Das nicht nur, um seine deutsche Vergangenheit abzustreifen: «Ich wollte leben wie ein Amerikaner, ohne durch das alte Europa gehandicapt zu sein. Und ich wollte für mich selbst existieren. Mein Grossvater war ein berühmter Maler, dessen Bilder in vielen wichtigen Museen der Welt hängen. Er hat ein Bild von Bach gemalt, das jedermann kennt. Mein Vater war Chef der grössten europäischen Baufirma, Philipp Hoizmann. Meine Mutter, Olivia Veit, war vor ihrer Hochzeit eine gefeierte Schauspielerin. Ich fühlte mich durch meine Herkunft zwar nicht unter Druck gesetzt, wollte aber auch nicht der kleine Enkel oder Sohn bleiben.» Neuer Name, neues Leben.

Seinen ersten Job in Amerika bekommt Rodes in der Bank of the Manhattan Company – als Page in Uniform. «Ich wurde allerdings schnell vom Aufzug abgezogen und ins Auslandsdepartment geholt, als man merkte, dass ich Sprachen beherrsche, die die Banker nicht beherrschten», berichtet er schmunzelnd. «So habe ich angefangen, französische und deutsche Übersetzungen zu machen und international zu kommunizieren.»

Strippenzieher in der alten Heimat

Rodes gilt weltweit als Profi für PR auf internationalem Parkett. Mit seinem Gespür für Menschen und seiner ausgeprägten Kommunikationskompetenz hat er viele politische und wirtschaftliche Entscheidungen auf internationaler Ebene mitgeprägt. Als Offizier der US-Armee wird er 1942 der Abteilung für psychologische Kriegsführung, Psy-War, zugeteilt. Er bekommt eine Ausbildung in psychologischer Kriegsführung und absolviert ein Dolmetscherexamen in Englisch, Französisch, Deutsch, Italienisch und Spanisch. Als einziger deutsch sprechender Offizier mit amerikanischen Vorfahren hat er eine Schlüsselfunktion bei den amerikanischen Psy-War-Aktionen, zum Beispiel bei der Produktion und Verteilung von Flugblättern. Ausserdem wird er vom befehlshabenden General beauftragt, alles zu lesen, was seine Kameraden schreiben, und zu melden, wenn es nicht der vorgegebenen Politik entspricht. Ein enormes Vertrauen in die Kompetenz des erst 23-Jährigen.

Nach Kriegsende 1945 und 1946 ist Rodes als US-Major im Führungsstab der «Informationskontrolle» mitverantwortlich für den Aufbau einer demokratischen Presse in Deutschland, zum Beispiel durch die Zensur deutscher Medien: «Wir wollten die Trennung von Propaganda und Information sicherstellen», berichtet Rodes. «Wer sich nicht an diese Trennung hielt, musste m it Sanktionen rechnen.» 1946 kehrt Rodes für vier Jahre in die New Yorker Exportfirma American Near East Corp. zurück, in der er bereits 1939 bis 1942 gearbeitet hatte. 1950 engagiert ihn die US-Besatzungsbehörde OMGUS als Pressesprecher des US-Stadtkommandanten in Berlin. Von diesem Posten versucht ihn die CIA abzuwerben. Rodes lehnt dankend ab: «In einem geheimen Gespräch wurde mir nahegelegt, einen Vierjahresvertrag zu unterschreiben – und ich bekäme dann sechs Monate später Bescheid, ob ich genommen würde», erzählt Rodes. «Dieser Stil gefiel mir nicht.»

Wiederaufbau braucht Information

Noch im gleichen Jahr bekommt Rodes vom State-Department das Angebot, in Deutschland die Informationsabteilung des Marshallplans zu leiten, dem US-Programm für denwirtschaftlichen und kulturellen Wiederaufbau des völlig zerstörten Landes. Rodes ist sofort dabei. «Wir wollten Deutschland schnell den Anschluss an die Nachkriegszeit ermöglichen», berichtet er. «Eine grosse Aufgabe sahen wir in der Information der Bevölkerung über die Wirtschaft und Neuheiten im Rest der Welt. Deutschland war allzu lange isoliert und von Goebbels bewusst desinformiert worden.» Rodes‘ Mitarbeiter synchronisieren rund 200 amerikanische Filme über neue Technologien, stellen Filmvorführgeräte zur Verfügung, organisieren Lehrveranstaltungen und Ausstellungen. 1950 ist Rodes massgeblich an der Planung der internationalen Filmfestspiele «Berlinale» beteiligt. Der grösste Coup gelingt ihm, als nach der Niederschlagung des Aufstands vom 17. Juni 1953 eine besondere Nummer der Wochenbeilage der Zeitung «Neues Deutschland» nach Ostberlin geschmuggelt und dort in Umlauf gebracht wird: In dem Magazin sind Fotos des Aufstands abgedruckt. Die Russen fahnden nach dem Staatsfeind. Ergebnislos. Für Rodes ist diese Aktion noch heute sein spannendstes Kommunikationsprojekt.

Gestaltung auf ganzer Linie

Neben Kommunizieren und Musik hat Rodes eine dritte grosse Leidenschaft: Möbel und Design. Dieser widmet er sich von 1956 bis 1966. Als Vorstandsmitglied des Designmöbelproduzenten Knoll Ass. und Leiter von Knoll International prägt er den Möbelgeschmack der 1950er- und 1960er-Jahre mit. Ausserdem tritt er als Juror in Designwettbewerben auf und publiziert als Fachjournalist in einschlägigen Zeitschriften und Tageszeitungen — übrigens bis heute. 1955 sattelt Rodes wieder um: Er wird Mitglied des Aufsichtsrats der berühmten amerikanischen PR-Agentur JKPR Julius Klein. JKPR ist bekannt für die Betreuung brisanter internationaler PR-Aufträge in Wirtschaft und Politik. Die Agentur war unter anderem in die Gespräche zwischen Ben Gurion und Konrad Adenauer eingebunden und arbeitete für die Deutsche Regierung. Parallel zu seiner Mitarbeit bei JKPR gründet Rodes seine eigene Agentur, die Toby E. Rodes International Communications & Marketing Consultancy, kurz: Terag. Rodes spezialisiert sich auf internationale Marketing- und Kommunikationsberatung sowie die Planung und Ausführung von Projekten. Sein erster Kunde ist Vitra-Hermann-Miller, damals einer der führenden Vertreter modernen Designs in den USA – und Rodes‘ wichtigster Ex-Konkurrent.

Terag entwickelt sich blendend: Rodes betreut etliche klingende Namen der Möbel- und Designbranche in aller Welt, zum Beispiel De Sede, Mobilier International, Erpo, Fiötotto, den finnischen Möbel-Export-Verband oder Elan, aber auch Kunden wie Rado, Glas-Trösch, die internationale Lottoorganisation, Feldschlösschen, das Museum Rietberg oder den schottischen Earl of Bute, der den Ausbau seiner Weberei mit PR begleitete. Zwischen 1967 und 1988 steigt die Zahl der Agenturmitarbeiter auf sechs, danach arbeitet Rodes zwischenzeitlich mit bis zu zwölf Mitarbeitern. «Ans Aufhören habe ich schon oft gedacht», gibt Rodes zu. «Aber bisher hat es nicht geklappt.» Seit 2005 teilt er sein Büro aber m it Patricia D. Trenkler, die mit ihm als Praktikantin eng für Feldschlösschen zusammengearbeitet hat. Sie soll Rodes Nachfolgerin werden. Der Anfang vom Aufhören. Aber: «Solange sich im Kopf etwas regt, will ich nicht zu Hause sitzen oder im Bett liegen, Däumchen drehen und den Rentner spielen», stellt Rodes klar. Auch seine Frau, die Physiotherapeutin Dr. Waltraud Elisabeth Rodes-Bauer, Erfinderin der Kombinationstherapie Laser-Akupunktur und Physiotherapie, steht mit ihren bald 70 Jahren noch immer voll im Beruf, Es kann also noch eine Weile dauern, bis Rodes sich endgültig von der PR-Bühne verabschiedet.

Kein Leben ohne Kommunikation

«Kommunikation unter Lebewesen ist das Herzstück unserer Welt. Ohne Kommunikation gibt es kein Leben», schreibt Rodes in seiner Autobiografie. Von einem Menschen, der dem Austausch untereinander einen so hohen Rang einräumt, möchte man gerne wissen, wie er die Zukunft von Marketing und PR sieht. «Ich weiss es nicht», lautet die schlichte Antwort. «PR hat die Aufgabe, gegenseitiges Vertrauen aufzubauen. Das bedeutet auch, dass man sich dementsprechend benehmen muss. Die neuen Kommunikationsmittel machen den vertrauensvollen Austausch miteinander aber nicht unbedingt einfacher. Die Qualität der Kommunikation hat nachgelassen. Weil alles schneller geht. Und weil wir zu wenige Kommunikatoren haben, die nicht nur die lange Hand ihrer Bosse sind. Wir müssen dem mit fundierter Ausbildung entgegensteuern.»

Rodes steht neuen Kommunikationsmöglichkeiten offen gegenüber: 1966 kaufte er die gerade erst auf den Markt gekommene IBM-Kugelkopfschreibmaschine, später ein Telex, danach ein Telefax. Auch mit PCs und Handys machte er sich vertraut, das Internet gilt ihm als wichtigste Entwicklung in der Kommunikationsbranche. Dennoch: «Die fatalen Folgen mangelhafter Kommunikation im Elektronikzeitalter sind wesentlich gravierender als in früheren Epochen. Die Globalisierung der Elektronik hat bewirkt, dass man nicht m ehr gezielt kommunizieren kann. Das heisst, man muss darauf gefasst sein, dass eine auf die Zielgruppe A gemünzte Information von der Zielgruppe B mitrezipiert, wissentlich verdreht und falsch kommuniziert wird», warnt Rodes. «Echte Kommunikation setzt aber einen auf Verständnis beruhenden Dialog voraus. Und den Willen zum Kompromiss.» Dieses Mehr in der Kommunikation gelingt oft nicht, weil Zeitdruck und gezieltes aneinander Vorbeireden das heutige Kommunizieren prägen. Die meisten E-Mails sind Zeugen solcher Hast und Unaufmerksamkeit gegenüber dem Kommunikationspartner.

Wenn Kommunikation funktionieren soll, ist es wichtig, dass Menschen m it Achtung aufeinander zugehen, sich Zeit füreinander nehmen und die Meinung ihres Gegenübers gelten lassen. Wer einen Dialog will, muss nicht nur sprechen, sondern auch sich und seine Gefühle zurücknehmen und zuhören können. Das ist eines von vielen Dingen, die man von Rodes lernen kann. Rodes hat sein Leben lang auf diese Art vollendet kommuniziert. So konnte er seinem Vorsatz treu sein: «Du musst morgens in den Spiegel schauen können, ohne zu kotzen.»

Anne-Friederike Wilhelm

In Kürze

Toby E. Rodes

* 1919 als Toby E. Rosenthal in Frankfurt am Main
1934–1936 Institut Fisher, Chateau d’Arvel, Territet Montreux
1936 London School of Economics, London
1937 Erwerb der amerikanischen Staatsbürgerschaft und Änderung des Nachnamens
1938–1942 Studium Internationale Finanzen und Jura, New York
1938/39 Bank of the Manhattan Company, New York
1939–1942 American Near East Corporation, New York, Kairo, Tel Aviv, Paris, Genf, Zürich, Casablanca, Oran
1942–1946 US-Militärdienst
1942–1945 Abteilung für psychologische Kriegsführung, Deutschland
1944 Radio Luxemburg, Auftritte als «italienischer» Major, Geheimsender 1212
1945/46 US-Major im Führungsstab der Alliierten «Informationskontrolle»
1946–1950 zweites Mal American Near East Corp./Anec Trading Co.
1950 Pressesprecher des US-Stadtkommandanten, Berlin
1951–1955 leitender PR-Offizier des Marshallplans, Bonn
1956–1966 Knoll Ass. und Knoll International, New York, Basel, Frankfurt, Vaduz, Paris, London, Mailand, Rom, Wien
1955–1975 JKPR Julius Klein, Chicago, New York, Los Angeles
seit 1966 Terag, Basel
2005 Erhalt der Wilhelm-Leuschner-Medaille, höchste Auszeichnung des deutschen Bundeslandes Hessen
† 2013 in Basel

Lesetipp

Toby E. Rodes
Einmal Amerika und zurück: Erinnerungen eines amerikanischen Europäers (2009)
Verlag Huber Frauenfeld/Stuttgart/Wien. 230 Seiten. 49,90 CHF.