Kölner Design Preis Toby E. Rodes Award 2020
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totenstille
ODER: WAS AM ENDE NOCH ZU HÖREN BLEIBT

Wir erzeugen Klänge, um uns zu vergewissern, dass wir nicht alleine sind. Stille gleicht derart betrachtet einer Abwesenheit des Anderen. Die Abwesenheit von Lauten gleicht der Abwesenheit von Leben. Tod stellt die ultimative Stille dar – Totenstille. Oder: Was am Ende noch zu hören bleibt.

Neben der Geburt, ist unser Tod die einzige, andere Erfahrung, welche wir zweifelsohne alle teilen werden. Doch warum fällt es uns so schwer, sich mit der eigenen Sterblichkeit zu beschäftigen? Und warum ist es dennoch so wichtig, dass wir darüber sprechen sollten? Ich bin davon überzeugt, dass eine offene Kommunikation über den Tod dazu beitragen kann, sich selbst und den Menschen, die man liebt, würdevolle Pflege und Unterstützung im Sterbeprozess aber auch in der Trauer
zukommen zu lassen.

Aber wo soll man anfangen? Wie kann man die Stille rund um dieses Thema überwinden? Die Beschäftigung mit dieser Frage führte mich zum Klang. Wo allzu oft die Worte fehlen, kann man mit dem Hören beginnen: Lernen, kritisch zu hören, lauschen, horchen, meditieren, Klang wahrnehmen – zuhören, reflektieren, um dann zu sprechen. Ich entschloss mich dazu, Klanglandschaften rund um die Themenbereiche Sterben, Tod und Trauer zu untersuchen. Der Tod wurde dabei zu einem abstrakten Erzähler.

Wie klingt Totenstille? Was hört man auf Friedhöfen im urbanen Raum? Wie kann man sich klanglich auf den Tod vorbereiten? Was vernehmen Sterbende? Welche Geräusche und Klänge sind in Trauerritualen hörbar? Können wir das Jenseits hören? Ich verbrachte zahlreiche Stunden auf Friedhöfen, traf mich mit Bestattern, Steinmetzen, Sterbe- und Trauerbegleitern, Friedhofsgärtner, Hospizmitarbeitern, Schamanen, Gurus und Menschen, die mit dem Tod nur wenig in ihrem Alltag zu tun haben. Ich stellte Fragen und hörte zu.

2020 © Tanja Müller. Alle Rechte vorbehalten.

Auf Grundlage der unterschiedlichen Arbeiten, die im Rahmen der Exploration entstanden, konzipierte ich die Ausstellung »Totenstille«, welche im Juni 2019 im Bunker K101 in Köln stattfand. Anders, als der Ausstellungstitel es vermuten lässt, ertönte zwischen den dicken Betonwänden des früheren Atomschutzbunkers eine Klangcollage bestehend aus unterschiedlichsten Geräuschen, Stimmen und Musik. Dabei wurde eine Fläche von 400 m2 mit 35 verschiedenen Arbeiten bespielt.
Inhaltlich durchwandert der Ausstellungsbesucher drei Themengebiete: die Vorbereitung auf den Tod (Imagination des Todes), ein Zwischenraum zwischen Leben und Tod (Limbo), das Leben nach dem Tod (Abschied und Trauer).

Die Ausstellung lädt zum kritischen Hinhören ein. In einer Welt, in der für gewöhnlich eine Vielzahl an visuellen Informationen gesendet, konsumiert und verarbeitet werden, bietet die Fokussierung auf Akustik eine sensorische Erfahrung, durch die sich der Mensch in seinem Körper und seiner Umgebung – in diesem Fall der Ausstellungsfläche – neu verorten und wahrnehmen kann. Das Eintauchen in Klangwelten ermöglicht eine andersartige Begegnung mit dem Thema Tod.

In unserer Gesellschaft fehlt es an Räumen, in denen wir offen und ohne Vorbehalte über das Sterben, den Tod und die Trauer sprechen können. Als Gestalterin möchte ich Impulse setzen, die zu derartigen Gesprächen anregen. Statt Urnen, Särge oder Krematorien neu zu planen oder zu gestalten, möchte ich mit meiner Arbeit dazu beitragen, den Umgang mit dem Tod selbst neu zu denken. Ich bin davon überzeugt, dass wir durch bewusstes Hören, neue Wege finden können, miteinander zu sprechen – auch wenn es um das letzte Thema geht, mit dem wir uns alle auseinandersetzen müssen.

Tanja Müller
KISD
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