Die Arbeit besteht aus einem bilingualen Wendebuch, das sowohl von vorne als auch von hinten lesbar ist und in dem zwei Lebensgeschichten aufeinander zusteuern. Es ist gefüllt mit Texten und Fotografien. Es beleuchtet die Lebensgeschichten von Georg Fabian und Fernand Mamer. Die Protagonisten befanden sich während dem Zweiten Weltkrieg auf gegenseitigen Feindlinien. Georg Fabian war Deutscher und Funker in der Wehrmacht. Fernand Mamer ist Luxemburger und war während der Besatzung von Luxemburg durch Nazideutschland noch ein Kleinkind. Die beiden Protagonisten trafen sich vermutlich nie persönlich, doch es gibt eine geografische Überlagerung der beiden Biografien in der Gemeinde Simmern, dem Ort, in dem Fernand heute noch lebt und in dem er aufgewachsen ist. Georg Fabian hat diesen Ort vermutlich beim Aufbau des Funknetzes für die Ardennenoffensive aufgesucht. Näheres zu dem Zeitpunkt und genauen Zweck seines Aufenthalts in Luxemburg ist nicht bekannt. Er erklärte in den achtziger Jahren bei einem Besuch in Luxemburg, dass er die Wälder in Simmern kenne, dass er hier während des Zweiten Weltkrieges gewesen ist. Es ist dieses Ominöse, dieser Nebel, der diese zusammenführende Geschichte umgibt und so spannend macht. Der Wald bildet dabei den fiktionalen Zusammenkunftsort der beiden Protagonisten.



Heute sind der Enkel von Georg und die Enkelin von Fernand ein Paar. Die Arbeit handelt von einer Geschichte, bei der die Narration der deutschen und die Narration der luxemburgischen Erinnerungskultur zusammentreffen. Schlussendlich sind es nicht zwei Geschichten sondern eine, und diese ist europäisch. Es fand eine textlich und fotografische Aneignung der beiden Lebensläufe durch die Nachfahrinnen in Form von Christina Fabian, der Tochter von Georg und mir, Julie Sales, der Enkelin von Fernand statt. Die Sachdarstellungen der persönlichen Habe von Georg und
Fernand bilden Zeugen der Lebensgeschichten der beiden und werden durch die textliche Aneignungen der Nachfahrinnen belebt. Aus einer Auseinandersetzung auf persönlicher Ebene wird durch den symbolischen Charakter und die Medialität eine zusammenhängende Geschichte, die stellvertretend für andere ähnliche Geschichten steht. Die Arbeit Erinnerungsraum 1 / Erënnerungsraum 2 bildet keine historische Rekonstruktion, zeichnet sich jedoch durch seinen transnationalen und intergenerationellen Charakter aus, und dadurch, dass der Zweite Weltkrieg in den Kontext eines gesamten Lebens gestellt wird. Die Arbeit ist exemplarisch für eine mögliche Auseinandersetzung der Kinder- und Enkelgeneration mit den Vorfahren, die den Zweiten Weltkrieg miterlebt haben. Ganz nach Aleida Assmann: „Individuen sind als Beobachter, Akteure oder Opfer immer schon in die übergeordnete Dynamik geschichtlicher Prozesse eingebunden“.
